Le Creux, 1599m

Schnitt für Dokumentarfilm

Zu später Stunde: es ist schon dunkel, das Ambiente urig: schummriges Licht und Wände aus Holz. Man weiß nicht, wo man ist, aber man ahnt es bereits: irgendwo in der Natur. Martin, Krölle und Robi sitzen am Tisch und erzählen über die mühevollen Momente, die Kühe im Stall zum Aufstehen zu bewegen.

„Das Problem ist, dass es morgens um fünf ist.“

Der nächste Morgen, es ist noch dunkel. Martin, man sieht ihm die Müdigkeit an, steht an einem großen Kupferkessel in der Küche und schöpft irgendwas heraus, was wie Milch aussieht, Nebanan befreit Krölle den Kuhstall von den Ausscheidungen der Nacht. Der Abfluss ist verstopft. Während die Gülle noch abfließt, bereitet Martin die Melkmaschinen vor.
Die Dunkelheit weicht, der Tag bricht an. Mit der Dämmerung wird offensichtlich, wo wir uns befinden.

Der Film erzählt vom Alltag auf der Schweizer Alp „Le Creux“, auf 1599m Höhe gelegen. Direkt und unmittelbar wird man mit einer Arbeitsrealität konfrontiert, die vielen gänzlich unbekannt ist, obwohl das Resultat jener Arbeit von ebenso vielen geschätzt wie geliebt wird: Käse! Auf Le Creux wird nach traditioneller Art Berner Alpkäse produziert. Die Kamera beobachtet das Geschehen von morgens bis abends: melken, misten, Milch umrühren, abrahmen, Feuer machen, Kessel erhitzen, Geräte spülen, Kühe.

Wolken ziehen auf. Die Küche dampft, draußen tropft der Regen aufs Dach. Nur selten bleibt Zeit zum Entspannen. Eine kurze Pause gönnen sich Martin und Krölle bei einem Schnaps. Während Robi sich um die Hühner und Schweine der Alp kümmert, bahnt sich der Donner eines Gewitters seinen Weg Richtung Tal.

Das Wetter bricht, die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel. Auf der Weide kauen die Kühe. In der Käseküche wird Rohmasse in Form gepresst. Handgriffe sitzen routiniert. Diese Welt, die der Film uns vor Augen führt, funktioniert nach unbekannten, choreo-graphierten Regeln – ohne Worte.

Martin steht im Käsekeller putzt runde Laibe, eins nach dem anderen, regalbretterlang. Die Kühe müssen von der Weide zurück in den Stall. Melkmaschinen ziehen Milch aus dem Euter, Kühe pinkeln, die Pumpe kreischt laut über das friedliche Idyll. Neue Laibe Käse sind fertig für die Reifung im Keller. Abends ein Schluck Dosenbier unter der Dusche. Der Tag neigt sich dem Ende.

Am nächsten Tag das gleiche Programm. Hubschrauber dröhnen durchdringend vom Himmel. Gegen Mittag kommt Besuch – der Käse wird abgeholt, die Früchte der mühsamen Arbeit verschwinden auf einem Anhänger ins Tal.

Le Creux, 1599m erzählt vom Handwerk des Käsemachens. Im Stil des direct cinema wird in ruhigen Einstellungen ein Alltag portraitiert, der von Beschwerlichkeiten, Anstrengungen, Disziplin und Wortkargheit durchzogen ist. Aber er erzählt auch von Erfüllung und der Freiheit an einem Ort zu sein, der aus der Zeit gefallen scheint, der weit vom gewohnten Alltag und seiner Beengtheit abrückt.

Bis auf die Eröffnungsscene bleibt der Film vollständig unkommentiert und funktioniert ohne Worte.
Man erfährt nicht, wie die Protagonisten heißen, man erfährt nicht, woher sie kommen, wohin sie gehen.
Als Zuschauer ist und bleibt man Zeuge ihrer Arbeit.

Idee, Schnitt, Kamera: Robert Strauß